Kenntnisstand

Oktober 2021

Einleitung

Die Nutzung von Softphone Funktionen und VoIP-Telefonie als Echtzeit-Anwendung stellt eine besondere Herausforderung an VoIP-Installationen dar. Diese Herausforderungen sind im unsichtbaren Verhalten des Netzwerks zu finden. Überall dort, wo keine Echtzeitkommunikation genutzt wurde, kann in Softphone-Gesprächen die Qualität des Netzwerks "gehört" werden.

Die Bearbeitung von E-Mails, das Kopieren von Dateien oder die Nutzung einer Branchensoftware im Browser stellt keine besonderen Anforderungen an das Echtzeitverhalten der Netzwerkinfrastruktur. Ob die Aktion nun 250ms länger dauert oder kurz stockt, lässt sich gut verkraften. Dies ist jedoch für eine Echtzeit-Anwendung und damit die Nutzererfahrung bei VoIP-Telefonie kein tragbarer Zustand.

Diese negativen Effekte lassen sich jedoch schlecht vorhersagen. Auch eine kleine Test-Installation lässt keine Rückschlüsse auf das spätere Nutzererlebnis zu.

Mit dieser Checkliste möchten wir auf der Basis von vielen VoIP-Readiness-Analysen eines externen Dienstleisters erste Hinweise auf mögliche bevorstehende Herausforderungen geben und so die Umsetzung eines erfolgreichen Projekts ermöglichen.

Klärung der Rahmenbedingungen

Mit folgenden Fragen sollen die Voraussetzungen für eine reibungslose Installation einer VoIP-Echtzeitanwendung abgefragt werden.

Sehr wichtig 

Netzqualität und Netzwerkdokumentation

Liegt eine aktuelle Netzwerkdokumentation mit allen Geräten (z. B. Firewalls, WLAN Access Points, Router, Virtualisierungen, Switches) vor ?

Dies ist wichtig, da jede Komponente im Netzwerk einen Einfluss auf die Netzqualität hat und bei einer Analyse des Softphone-Verhaltens überprüft werden muss.

Desktop-Virtualisierung

Ist eine Desktop-Virtualisierung im Einsatz?

Erhöhte Anforderungen an das Echtzeitverhalten der angebundenen Headsets/Video-Kameras zuzüglich zur höheren Anforderungen an den Server bzgl. Echtzeitverhalten

Geräte im Einsatz

Werden Smartphones und Laptops im WLAN Netzwerk verwendet?

Hier ist eine gleichmäßige Ausleuchtung des WLAN im Gebäude relevant. Gleichzeitig muss Bandbreite im WLAN für eine parallele Nutzung mehrerer Softphones ausgelegt sein und der Wechsel zwischen den WLAN Access Points unterbrechungsfrei realisiert werden können.

QoS Quality of Service Einstellungen

Sind QoS Quality of Service Einstellungen (DiffServ) über alle Geräte durchgehend abgebildet?

Zur Gewährleistung einer gleichbleibenden Qualität muss die Konfiguration über alle Geräte hinweg durchgängig umgesetzt werden können.

Wichtig

Freigabe für Headsets/Kameras für Desktop-Virtualisierung

Sind die eingesetzten Headsets / Video-Kameras für die Desktop-Virtualisierung von dem jeweiligen Hersteller freigegeben?

Nicht alle Headsets / Video-Kameras eignen sich gleich gut für Desktop-Virtualisierungen. Daher sollten dies vorab sichergestellt werden.

VPN Virtual Private Networks

Ist der Einsatz von VPN für die Anbindung der Arbeitsplätze geplant?

VPN stellt erhöhte Anforderungen an die Hardware durch zusätzliche Verschlüsselung dar, was leicht zu Überlastung der VPN Hardware führen kann. Eine Umstellung auf UDP für VPN kann hier zusätzliche Reserven freischalten und das Echtzeitverhalten verbessern.

Private Cloud - externes Rechenzentrum - Paketpriorisierung

Ist die Installation der Server-Komponenten in einem externen Rechenzentrum (Private Cloud) geplant?

Die Auswahl der Dienste im Rechenzentrum und die Anbindung der Softphones über die Internetverbindung sind verbunden mit höheren Datenaufkommen mit Echtzeitanforderungen und damit von einer Paketpriorisierung der IP-Pakete (QoS) abhängig.

Relevant, bei kritischen Einsatzszenarien

Testinstallation

Ist eine permanente Test-Installation für einen ausgewählten Personenkreis geplant?

Eine (vollwertige) Test-Installation dient dazu, Änderungen in der Netzwerkkonfiguration auf Funktion mit der Test-Installation zu kontrollieren, bevor diese für alle Mitarbeiter umgesetzt wird. Auch bei Komplikationen können einzelne Mitarbeiter auf die (vollwertige) Test-Installation umgezogen werden, um Phänomene detaillierter untersuchen zu können.

Erfahrungen aus vergangenen VoIP Readiness-Analysen

Aus diversen Softphone-Installationen konnten wir durch vergangene VoIP Readiness-Analysen einige wiederkehrende Phänomene identifizieren, die einen negativen Einfluss auf das Nutzererlebnis hatten. Diese Phänomene lassen sich nur durch eine tiefgreifende Analyse des Netzwerk identifizieren. Diese Analyse-Werkzeuge sind nicht Bestandteil unserer Software und bedürfen einer Zusammenarbeit mit externen Experten und ggf. einen VorOrt-Einsatz und eine 24/7 Messung über mehrere Arbeitstage möglich ist. Nur so lässt sich eine umfassende Analyse des Netzwerks mit allen Effekten abhängig von den Arbeitszeiten durchführen.

Deutlich zu hohes Broadcast-/Multicast-Niveau

Basierend auf jahrelanger Erfahrung kann ein aggregierter Broad-/Multicast-Wert von 100 pro 5 Sekunden als maximal tolerierbarer Grenzwert für einen störungsfreien Betrieb angesehen werden.

Beispiel-Screenshot Paket-Analyse Broad-/Multicasts

Mögliche UrsacheDrucker, Software Deployment-Lösungen

Gehäufte Paketverluste aus Richtung Internet

BeschreibungAus Richtung Firewall (Internet) sind mehrere RTP-Streams mit erwartbar gehäuften Paketverlusten festzustellen.
Bewertungerwartbar, das ist so
Mögliche Ursachefehlende Übertragungsqualität im Internet
Empfehlungkeine Empfehlung möglich

Starker Jitter aus Richtung Internet

BeschreibungAus Richtung Firewall (Internet) waren zahlreiche RTP-Streams mit erwartbar hohem Jitter registriert worden
Bewertungerwartbar
Mögliche Ursachefehlende Übertragungsqualität im Internet
Empfehlungkeine Empfehlung möglich

Layer2-Priorisierung (VLAN)

BeschreibungIn der IP-Infrastruktur sind nur punktuell VLAN-Tags nachweisbar. Allerdings wurde in keinem Fall eine VLAN-Prio verwendet ('BE')
Bewertungkritisch, weil der VoIP-Verkehr in der IP-Infrastruktur so nicht adäquat behandelt werden kann
Mögliche UrsacheKonfiguration der Hosts/Applikationen und der IP-Infrastruktur
EmpfehlungImplementierung eines durchgängigen VLAN-Konzepts mit korrekter Priorisierung ('VO')

Layer3-Priorisierung (DiffServ)

BeschreibungIn der IP-Infrastruktur ist die DiffServ-Priorisierung nicht durchgängig ausgeführt – in vielen Fällen fehlt die Priorisierung.
Bewertungkritisch, da DiffServ ein adäquates Mittel ist, um Echtzeitverkehr (VoIP) in der IP-Infrastruktur angemessen zu bevorzugen
Mögliche UrsacheKonfiguration der Hosts/Applikationen und der IP-Infrastruktur
EmpfehlungDurchgängige und konsistente Gestaltung der DiffServ-Priorisierung unter ausschließlicher Benutzung des korrekten Wertes ('EF') 

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